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Der Verwalter

Über den Literaturbetrieb
[41/99]


Andrea Heinisch-Glück
de nada


So könnte es sein, dass er hinter seinem Schreibtisch sitzt und misstrauisch in Manuskripte hineinliest, dann bekümmerte Geräusche von sich gibt und befriedigt einen Zettelhaufen nach dem anderen in den Mistkübel befördert. Wieder nichts dabei gewesen. Welch ein Leiden, was für einen Unrat man ihm zumutet. Er schaut in die Luft. Er denkt an sich, er hat jede Menge Projekte. Vermutlich fährt er aber nicht über die Buchrücken seiner ersten Werke, wohl weil er dann nicht mehr so einfach tun könnte, als sei er, was er schon längst nicht mehr ist. Nur die Kraft meiner Lenden, könnte er dann vielleicht wenigstens schmunzeln, und seine Angst wäre dann eine Spur, ein Äuzerl sozusagen, geringer. Sein Wehklagen über die Dürre an Inspiration, die sich da tagtäglich auf seinem Schreibtisch auszubreiten pflegt und die er zu verwalten hat, wäre ein wenig leiser. Möglicherweise. Doch der Ehemalige will um keinen Preis der Welt ein Ehemaliger sein, zumindest um keinen eigenen Preis, und so sucht er ausschließlich Wort und Blick von seinesgleichen und lächelt wissend oder öfter noch angewidert, weil ihm nun denn doch und schon wieder Unglaubliches zugemutet worden ist, über den Rest der Welt hinweg. Es hat ihm schon längst die Sprache verschlagen und das gründlich, weshalb der Unsere und seinesgleichen schon aus Sparsamkeitsgründen heraus kein Wort mit anderen und ihresgleichen wechseln, zumindest solange es die Macht des Faktischen nicht erfordert. Mein Gott, diese Sachzwänge, stöhnt er dann, wenn er sich profanisieren muss, was er aber mittlerweile schon recht gut beherrscht. Und seit ein paar Jahren darf er darauf auch schon, wenn auch gemäßigt vorgetragen, stolz sein, weil es sich glücklicherweise aufgehört hat, dass Künstler-Sein und Geschäftssinn-Haben einander zwingend ausschließen. Ein wenig Klage zwischen den beiden Begriffen wirkt wie Leim: sie verbindet. Kurz und gut: Das Wort hat für den Wortkünstler eine besondere Bedeutung und will auch so eingesetzt sein, kann eben per se nicht an Hinz und Kunz vergeudet werden. Das Wort des Unseren und seinesgleichen gehört also zu Unserem und seinesgleichen oder es wird gedruckt. Und da kann es Hinz und Kunz sich dann ja kaufen.

Was diese Leute so glauben und er wird jetzt wirklich nur noch die ersten drei Zeilen lesen, wenn überhaupt. Schließlich ist er an erster Stelle ein Dichter, ein Poet vielleicht, und hat deshalb ganz empfindliche Sinne. Er leidet. Er müht sich Surrogate aufs Papier. Es sind Aufgüsse bloß von Vergangenem, was er vielleicht weiß und doch nicht wissen darf, weil es sonst um ihn geschehen wäre. Weil er sonst ein hundsnormaler Verwalter wäre. Wenn er endlich fertig ist, atmet er auf, es ist ja gerade noch einmal gut gegangen, er schreibt seinen bekannten Namen darüber, ruft seinesgleichen an, man trifft sich und macht sich etwas aus, und dann hat er also wieder etwas Neues herausgebracht oder einen Preis gewonnen oder ein Stipendium und seinesgleichen schreibt darüber und die Welt steht wieder gerade. So läuft das eben und das hat er sich hart erarbeitet, dass er da dabei ist, wo ein jed's seine Rolle hat und die auch genau spielt. Sie sind ein Team, sie hängen zusammen im Spiel und ein Blöd's wär's, wenn da ein Fremd's hineinkäme, das sich nicht auskennt in den Textbüchern, und dass es ein abgekartetes Spiel ist, das legt bloß die bekannte österreichische Missgunst den bekannten österreichischen Missgünstlern in den Mund. Stänkern hat nur der Bernhard dürfen und dafür haben der Unsere und seinesgleichen ihn zutode inhaliert. Aber der Kerl hat versucht, ihnen im Hals stecken zu bleiben und dafür pinkeln der Unsere und seinesgleichen dem Bernhard jetzt ein bisserl ans Grab, weil ein schlechter Mensch, ein undankbarer, ist er schon gewesen, der Bernhard. Bei aller Kunst.

Er hat's schwer, der Unsere, welch Mühsal das ist, nach vorne hin Literatur zu tragen und nicht nur das, das Neue soll es sein, Kunst soll es sein und Auseinandersetzung, ein Versuchen an den Rändern, und dahinter der Verschluss. Zugeratscht - vorsichtig, dass er sich nichts einzwickt, aber so fest zu, dass nichts mehr aufgehen kann. Zumindest nicht mehr leicht, zumindest nicht mehr ohne dass etwas weh tun könnte, und das will so einer wie der Unsere nicht. Er ist ja keine zwanzig mehr und überhaupt hat er so etwas nicht nötig. Wer ist er denn. Möglich auch, dass die Gefahr zu groß ist, dass nichts mehr da sein könnte von dem, das damals. ... Nein. Lieber alle Jahre ein Neuglied entdecken. Es hochpushen und verdampfen sehen. Junge Frauen eignen sich da gut. Junge und biographisch interessante Frauen ganz besonders, weil das inhaltlich und gefühlsmäßig was hermacht. Das kommt gut an und eine bedeutende Neuentdeckung ist ja nur dann eine bedeutende Neuentdeckung, wenn es genug Nachentdecker gibt. Ein bisserl muss sich schließlich selbst der Kunstversessenste an den Marktgesetzen orientieren. SeinS' mir nicht bös'.

Und doch ist es ein Leiden. So einer wie der Unsere, der leidet an der Welt, weil sie so niedrig ist und ihm ihre Niedrigkeiten trotz all seiner Bemühungen immer wieder heranschwappt. Vielleicht war einer wie der Unsere früher, als er ein junger Mann war, ein aufstrebendes Talent, einer von den sogenannten engagierten Künstlern. Das kann gut sein, weil damals, als die heutigen Ehemaligen junge aufstrebende Talente waren, alle jungen aufstrebenden Talente engagiert waren . Gesellschaftlich engagiert. Oder experimentell engagiert. Wie auch immer, auf jeden Fall engagiert gegen das, das sie gerade vorgefunden haben. Und jetzt? Jetzt finden sie unguterweise immer bloß sich selbst und ihresgleichen vor und wer will schon gegen sich und seinesgleichen sein, und so hat sich einer wie der Unsere dafür entschieden, zur Abwechslung einmal für etwas zu sein und zwar für sich und seinesgleichen. Weil es so einem wie dem Unseren aber in Fleisch und Blut übergegangen ist, gegen etwas zu sein, und weil er außerdem der Ansicht ist, dass ein richtiger Künstler immer gegen etwas sein muss, muss er sich neue Gegnerschaften suchen. Und da ist es dem Unseren gelegen gekommen, dass er sich über den einen oder den anderen von seinesgleichen sowieso schon oft geärgert hat. Der und seine speziellen Freunde sind ihm eh schon lang auf die Nerven gegangen und einem Profi wie dem Unseren ist es ein Leichtes, seine Antipathie auf eine höhere Ebene zu verlagern und ihr so kulturelle Bedeutung zu verleihen. Gegen so manche und manches einig - die Rechtschreibreform und der Wittmann und das angekündigte Ende der Buchpreisbindung sind pfui - beleben der Unsere und seinesgleichen das Kulturgeschehen zusätzlich mit so mancher Fehde, dass es nur so eine Freude ist, weil es dann an den Kulturwirtshaustischen so viel zum Mutmaßen gibt. Da freuen sich dann der Unsere und seinesgleichen, weil da der Unsere und seinesgleichen so richtig spüren können, was sie doch für gute alte Kämpfer sind. Immer noch an vorderster Front, denn nur den ganz guten und den ganz alten Kämpfern entgeht keine Nuance der jeweiligen Fehde, nur sie kennen alle Mitspieler, alle Facetten, alle Vorder- und Hintergründe, so eine Fehde schweißt die alten Kämpfer so richtig zusammen und das braucht ein Künstler eben auch. Einsam wie er ist.

So einer wie der Unsere hat vielleicht aber auch das Gewerkschaftliche gekriegt und ist ziemlich lauthals und allgemein präsent geworden. Literarisch ist es aber um ihn möglicherweise jetzt auffällig still. Deshalb macht er vielleicht ein oder zwei Mal im Jahr eine Lesung. Ein wenig heiser und nichts Neues ist dabei und Zuhörer hat er auch schon mehr gehabt, aber die, die da sind, sind da, und in seiner Bedeutung nicht verstanden zu werden, eben nicht die tumbe breite Masse anzusprechen, das ist ja schließlich das Los eines jeden großen Künstlers. Bei aller demokratischen Gesinnung. Einigen seiner alten Spezies kann er zunicken, und zwischen den paar bemühten Studenten, einigen glatzköpfigen Männern in unmöglich karierten Hosen, zwischen zukünftigen verkannten Dichtern und ein paar schlecht frisierten alten Weibern sitzen immerhin ein paar interessante Frauen. Aber weil einer wie der Unsere schön langsam in die Jahre kommt, bringt er den rechten Enthusiasmus nicht mehr auf, besonders seit ihm einmal der widerliche Gedanke gekommen ist, dass es diese jungen Frauen sind, die sich ihn auf ihr Kerbholz schnitzen und nicht umgekehrt, und seit ihm dieser Gedanke gekommen ist, muss er ihn immer mit ganzer Kraft wegtauchen, sowie sich so eine junge Frau nach einer Lesung dazuschiebt, wenn er und seinesgleichen noch in die Stadt ziehen, um von jetzigen und früheren Kriegen zu erzählen. Und es ist schon vorgekommen, dass er einer solchen dann gar nicht mehr auf den Hintern, die Beine, die Brüste geschaut hat, sondern dass er nur noch nach Anzeichen von Jagdlust in ihren Augen geforscht hat. Und da ist ihm dann gleich alles vergangen, so ein Künstler ist eben sensibel, und am nächsten oder übernächsten Tag, wenn er wieder über seinem Schreibtisch gesessen ist und irgendwelche Wahnsinnigen ihm wieder irgendwelche wahnsinnigen Manuskripte geschickt haben, hat er sie dann gleich alle miteinander in den Mistkübel geschmissen und dann hat er sich geärgert, weil diese verdammten Politiker kein Geld für die Kultur herausrücken wollen, weil es doch das Mindeste wäre, einem bekannten und verdienten Mann wie ihm wenigstens einen Reißwolf zu finanzieren.

feedback: andrea.heinisch@chello.at
Andrea Heinisch-Glück auf [lesen]:
http://lesen.action.at/hein/hein.htm

updated: 11.10.1999 by martin krusche
 
 
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